Bildung
Aktueller Stand: Vor Verwaltungsgericht
Letztes Update: 19. Dezember 2024
Kanton: St. Gallen
Elia ist ein Jugendlicher mit Dyslexie und absolviert eine KV-Lehre auf einer Bank. Für die Prüfungen in der Berufsschule beantragt er einen Zeitzuschlag als Nachteilsausgleich. Dieser wird ihm vom Amt für Berufsbildung jedoch verweigert. Dagegen wehrt er sich – unterstützt von we claim – vor Gericht.
Die Schweiz hat sich mit der Ratifizierung der UNO-Behindertenrechtskonvention (BRK) verpflichtet, Menschen mit Behinderungen den Zugang zur Berufsbildung und zu lebenslangem Lernen gleichberechtigt mit Menschen ohne Behinderungen zu gewährleisten. Daraus und aus dem Diskriminierungsverbot in der Bundesverfassung ergibt sich das Recht von Menschen mit Behinderungen auf angemessene Vorkehrungen. Darunter fällt auch das Recht auf Nachteilsausgleich bei Prüfungen. Dies stellt keine Bevorteilung dar, sondern gewährleistet Chancengleichheit.
Das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Nachteilsausgleich bei Prüfungen wird in der Praxis immer wieder in Frage gestellt. Der positive Entscheid stärkt das Recht auf Nachteilsausgleich von Menschen mit Behinderungen und setzt in Bezug auf die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen ein wichtiges Zeichen.
Bei Elia wurde in der zweiten Klasse eine Dyslexie diagnostiziert. Er benötigt insbesondere mehr Zeit für das Lesen und Verarbeiten eines Textes und macht etwas mehr Schreibfehler als Menschen ohne Dyslexie. Entsprechend erhielt er während seiner obligatorischen Schulzeit bei schriftlichen Prüfungen jeweils einen Zeitzuschlag. Die zusätzlich verfügbare Zeit gleicht seinen Nachteil im Bereich des Lesens und Schreibens aus.
Als Elia im Sommer 2023 eine KV-Lehre auf einer Bank im Kanton St. Gallen begann, beantragte er beim kantonalen Amt für Berufsbildung, dass er auch an der Berufsschule bei schriftlichen Prüfungen einen Zeitzuschlag von 15% erhält. Doch das Amt verweigerte ihm den Nachteilsausgleich mit der Begründung, Lesen und Schreiben gehöre zu den elementaren und unentbehrlichen Grundfertigkeiten für den Beruf als Kaufmann EFZ, weshalb die Anforderungen für die Prüfung der Lese- und Schreibfähigkeiten nicht herabgesetzt werden dürften. Gegen diesen Entscheid führte Elia erfolglos Beschwerde an die Verwaltungsrekurskommission. Unterstützt durch we claim zieht er weiter an die höchste kantonale Instanz, das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen.
Das Verwaltungsgericht St. Gallen hiess die Beschwerde im Dezember 2024 vollumfänglich gut. Es hielt fest, dass mit dem Zeitzuschlag ausschliesslich die behinderungsbedingten Nachteile ausgeglichen werden, die zu einer verzögerten Umsetzung der effektiv vorhandenen ausbildungsrelevanten Fähigkeiten führen. Der Beschwerdeführer wird erst mit dem Zeitzuschlag in eine mit den anderen Berufsschüler:innen vergleichbaren Lage versetzt, um im Rahmen schriftlicher Prüfungen sein tatsächlich vorhandenes Wissen aussagekräftig zu zeigen. Auch hält das Verwaltungsgericht fest, dass das Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG) auf die Berufsbildung anwendbar und das Beschwerdeverfahren entsprechend kostenlos ist. Die Vorinstanzen haben von Elia rechtswidrig Kostenvorschüsse verlangt und ihm Gerichtskosten auferlegt.
Gutheissung der Beschwerde durch das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen
Beschwerde ans Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen
Abweisung Beschwerde durch die Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen
Beschwerde an die Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen
Ablehnung Zeitzuschlag durch das Amt für Berufsbildung des Kantons St. Gallen
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